Vom Schreibtischtäter zum Mountainbike-Guide
Jürgen Courret ist leidenschaftlicher Mountainbiker und gehört zu den Menschen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Bis vor ein paar Jahren hat der gelernte Elektromechaniker noch als Führungskraft in einem mittelständischen Betrieb gearbeitet. Heute leitet der 55-jährige seine eigene Firma und fragt sich, warum er den Schritt nicht viel früher gewagt hat.
Herr Courret, womit verdienen Sie heute Ihr Geld?
Ich veranstalte mit meiner Firma Mountainbike-Touren in der Pfalz, in Italien und in den Alpen. Ich bin dabei nicht nur Unternehmer, sondern leite diese Touren meist auch selbst. Außerdem markiere ich Wanderwege und mache Forstarbeiten. Ich bin also viel draußen, aktiv an der frischen Luft.
Was haben Sie davor gemacht?
Nach meiner Lehre zum Elektromechaniker habe ich 15 Jahre in meinem Beruf und später 18 Jahre als „Schreibtischtäter“ immer in der gleichen Firma in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Ich hatte eine leitende Funktion und einen tollen Arbeitsplatz. Als die Firma in die Insolvenz ging, war der Stress unerträglich und die Kündigung wie eine Erlösung.
Wie sind sie auf die Idee mit den Mountainbike-Touren gekommen?
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Mit 50 gab es auf dem Arbeitsmarkt nicht viele Alternativen, also machte ich mich selbstständig. Da ich schon an der Uni in Kaiserslautern den Outdoorsektor Mountainbike leitete, war meine Idee, eine eigene Firma in diesem Bereich zu gründen. Früher habe ich schon Touren für den Alpenverein im Ehrenamt organisiert. Ich hätte niemals gedacht, dass ich das auch mal kommerziell machen könnte. Vorher war das Radfahren meine Erholung, jetzt kommt es auch für meinen Unterhalt auf.
Wenn wirtschaftlicher Druck hinzukommt, kann der Spaß schnell vergehen. Wie haben sie das hinbekommen?
Ich hatte sehr viel Unterstützung. Meine jetzige Frau hat immer hinter mir gestanden und mich bestärkt, diesen Weg zu gehen. Mit den Events, die ich über die Jahre durchgeführt hatte, war schon eine kleine Infrastruktur und ein kleiner Kundenstamm vorhanden. Darauf habe ich dann langsam aufgebaut. Heute kann ich es mir auch mal leisten, einen Auftrag in den anderen Sparten abzulehnen, da es mit dem Biken recht gut läuft.
Aber da müssen doch auch Zweifel gewesen sein?
Natürlich gab es die. Immerhin war mein ganzes Berufsleben lang am Monatsende mein Gehalt auf dem Konto eingegangen. Das hat sich dann von einem Tag auf den nächsten geändert. Auf einmal denkt man schon öfter darüber nach, ob auch genug Aufträge für die nächsten Monate da sind und ob der Verdienst ausreicht, um das Leben zu finanzieren. Da kommen schon mal Zweifel auf.
Mein größter Irrtum war, zu glauben, dass ich mit über 50 zu alt für diese Sache bin. Heute weiß ich, dass viele Kunden gerade deshalb zu mir kommen.
Was hat sie bestärkt weiterzumachen?
Das positive Kundenfeedback war ein ganz wichtiger Motivator. Ich habe immer wieder erlebt, dass die Kunden von den Kursen und Touren begeistert waren. Jetzt kann ich das klar sagen, aber am Anfang fehlte mir eben diese Erfahrung.
Was war denn neben dem Geld Ihre größte Sorge?
Dass ich zu alt dafür bin. Gerade für’s Mountainbike-Fahren. Ich dachte, man müsse jung sein, um Geld im aktiven Sport zu verdienen. Ich war mir sicher, auch die Kunden würden junge Fahrer erwarten.
Und was ist passiert?
Ich habe inzwischen zwar einige junge Mitarbeiter, aber viele Kunden wollen dann doch ganz explizit mit mir fahren. Gerade weil ich älter bin.
Wie erklären Sie sich das?
Ich habe langjährige Erfahrung, ich bin mir meiner Grenzen sehr bewusst und kann gerade auch unerfahrene Fahrer unterstützen und motivieren. Die wollen gar nicht immer einen olympiareifen Topathleten von 22 Jahren, sondern fühlen sich gerade dann wohl, wenn ich bei Ihnen bin.
Dennoch haben auch Sie zu Beginn gezögert. Was würden Sie heute anderen Menschen in dieser Situation raten?
Nicht so lange warten, sondern einfach probieren! Nutze dein Leben, deine Möglichkeiten und Fähigkeiten. Versuche das zu machen, was dir wirklich Spaß macht, auch wenn Du damit etwas weniger verdienst und dir Sorgen machst wegen der Unsicherheit. Denn mal ehrlich, gibt es heute noch wirkliche Sicherheit? Die ist eh‘ nur suggeriert. Deshalb: Glaub an dich und deine Fähigkeiten.
Welche Rolle spielte für Sie ihr Umfeld?
Mir hat es enorm geholfen, dass viele meiner Freunde mich bestärkt und unterstützt haben, indem sie mir durch Empfehlungen Arbeitsaufträge in ihrem Umfeld ermöglicht haben. Ich hab immer wieder gehört: „Trau dir was zu; du weißt, was du kannst“. Und ich muss sagen, das stimmt. Mein Leben ist jetzt lebenswerter, spannender, intensiver. Der einzige Nachteil ist, dass die Zeit jetzt viel zu schnell vergeht.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.